März 2022 | G/Geschichte – Der Historiker Stephan Malinowski schildert, wie sehr die Hohenzollern den Nationalsozialisten den Weg bereiteten – und wie die Nachfahren des Deutschen Kaisers gegen ihn und andere Wissenschaftler vorgehen.

Herr Dr. Malinowski, der ehemalige Kronprinz Wilhelm war bekannt als reaktionärer Mann, dem die Republik zuwider war. In Ihrem Buch be-
schreiben Sie, wie er mit den Nazis zusammenarbeitete. Aber hat Sie diese Erkenntnis wirklich überrascht?


Auf den ersten Blick erscheint eine solche Zusammenarbeit naheliegend. Schaut man aber genauer hin, gibt es eben doch eine sehr große Diskrepanz zwischen den Nationalsozialisten einerseits und dem Adel und Hochadel andererseits. Hitlers Bewegung war im Kern kleinbürgerlich, mittelständisch und proletarisch, in den ländlichen Gebieten auch bäuerlich geprägt. Aus der Sicht eines Herzogs oder Fürsten sind das Proleten. Die kommen von unten, sie sind zu oft betrunken, nicht richtig angezogen, wissen nicht mit Messer und Gabel umzugehen. Als Prinz von Preußen ist der Weg zu einer Kollaboration mit SA-Männern aus Berlin-Wedding sehr, sehr weit.

Aktuell fordern die Hohenzollern Entschädigung für Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Die sind jedoch ausgeschlossen, wenn der ehemalige Kronprinz den Nationalsozialisten »erheblichen Vorschub« geleistet haben sollte. Hat er das getan?

Aus meiner Sicht als Historiker ist die Antwort ein eindeutiges Ja. Das hat er, und zwar nicht nur einmal, sondern über Jahre hinweg. Seit der Revolution von 1918 haben Kronprinz Wilhelm und seine Familie kontinuierlich an der Zerstörung der Republik gearbeitet. Auch das würde ich hineinrechnen in die Frage der Vorschubleistung. Denn die Zerstörung der Republik war eine Voraussetzung für die Errichtung
des Dritten Reiches. (…)

Erschienen in G/Geschichte 2022/04: Die Geburt des Krieges.