September 2021 | Fluter – Garbologinnen und Garbologen graben im Müll, um zu erfahren, wie Menschen einst gelebt haben. Der archäologische Blick auf den Abfall liefert auch Erkenntnisse über die Gegenwart.

Wer Archäologin oder Archäologe wer­den will, braucht eine unempfindliche Nase. Denn statt nur mit dem Pinsel vorsichtig Sand von alten Tongefäßen zu entfernen, graben sie gern auch mal dort, wo es ziemlich riechen kann. In antiken Latrinen zum Beispiel oder in Misthaufen, die der norddeutsche Schlick konserviert hat. „Sobald da Luft ran­kommt, fängt es an zu stinken“, sagt der Ur-­ und Frühgeschichtler Jens Schnee­weiß vom Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie in Schleswig. Abschrecken lässt er sich davon freilich nicht. Denn neben antiken Tempelanla­gen oder Grabstätten sind uralte Müll­haufen erstklassige Quellen, um über die Vergangenheit zu lernen. „Müll“, so drückt es Jens Schneeweiß aus, „ist das tägliche Brot des Archäologen.“ Müll verrät, wie Menschen gelebt haben, wann ihre Städte aufblühten und wann sie sich im Niedergang befanden.

Für sogenannte Garbologinnen und Garbologen herrscht an Fundstellen zum Glück kein Mangel. „Die Annahme, dass früher alles weiterverwertet worden sei, ist Blödsinn“, widerspricht der Salz­burger Altertumswissenschaftler Gün­ther Thüry einem populären Mythos. Aber früher fehlte es oft an einer orga­nisierten Abfallentsorgung. Und so schmissen die Menschen ihren Müll auf wilde Deponien: in Gruben, auf Haufen und oft auch in verlassene Gebäude, die sich mit Unrat füllten. (…)

Erschienen im September 2021 in fluter Herbst 2021 / Nr. 80: Müll.

Erschienen online bei fluter.de