Juni 2019 | Siegessäule – Die Stonewall-Aufstände vor fünfzig Jahren gelten allgemein als Geburtsstunde der modernen queeren Bürgerrechtsbewegung. Zugleich sorgen sie für hitzige Debatten: Wer war beteiligt? Wurden die Rollen aller ausreichend gewürdigt? Sind die Aufstände überhaupt ein Anlass zum Feiern oder hat die queere Bewegung versagt?

Manchmal sind es die kleinen Momente, die in der Erinnerung ein Ereignis erst ausmachen. Wenn Robert Bryan an jene Nächte im Juni 1969 zurückdenkt, in denen er gemeinsam mit anderen vor der Bar The Stonewall Inn nach einer Razzia gegen die New Yorker Polizei kämpfte, merkt man schon an seiner Stimme, die jetzt leiser wird, dass es dabei auch für ihn einen solchen Moment gab. Ausgerüstet mit Helmen und Schilden marschierte die herbeigerufene Bereitschaftspolizei in Formation durch die Christopher Street im Greenwich Village, in der das Stonewall Inn liegt. Ein martialischer Anblick. Ihr Ziel: Ruhe und Ordnung wiederherstellen. „Eine Gruppe ziemlich ‚femininer‘ Queens hakte sich unter, stellte sich ihnen entgegen und begann einfach zu singen: ‚We are the Stonewall Girls, we wear our hair in curls‘“, erinnert sich Robert. „Näher und näher kam die Polizei, doch sie rannten nicht weg, sangen immer weiter, bis die Polizei nur noch eine Armlänge entfernt war. Erst dann drehten sie sich um und flüchteten. Es war unglaublich und inspirierend zu sehen, wie mutig sie waren.“

Von der Mafia betrieben, war das Stonewall Inn damals der größte queere Club New Yorks. „Nirgendwo gab es etwas dem Stonewall Inn Vergleichbares, weder in anderen Städten, noch in New York“, erzählt Robert Bryan. Hier konnten vor allem Männer miteinander tanzen, eng und langsam, und dabei Körperkontakt suchen. So gut wie überall sonst war das verboten. (…)

Erschienen im Juni 2019 in der Siegessäule, Ausgabe Juni 2019 (PDF)
Am 28. Juni 2019 auch online auf siegessaeule.de veröffentlicht